von Florian König, maut1.de - 05. März 2024
Die Europäische Union arbeitet an einer 4. Führerscheinrichtlinie, die darauf abzielt, die Anzahl der Unfälle im Straßenverkehr in der EU deutlich zu reduzieren. Im bisherigen Gesetzgebungsverfahren zur Position des Verkehrsausschusses des EU-Parlaments und des Ministerrats der EU gab es viele Diskussionen.
Am 28. Februar 2024 hat das EU-Parlament über seine endgültige Position abgestimmt und dabei u.a. obligatorische Gesundheitsuntersuchungen sowie eine auf max. 5 Jahre verkürzte Gültigkeit für Senioren mehrheitlich abgelehnt.
Über den aktuellen Stand und die wichtigsten weiteren Entscheidungen rund um den Führerschein informieren wir in diesem Artikel.
Anhebung der Gewichtsgrenze in der Klasse B
Im Jahr 1999 wurde die 2. EU-Führerscheinrichtlinie umgesetzt und die bisherigen Zahlen durch das EU-Buchstabensystem ersetzt worden. Seitdem ist in Deutschland der PKW-Führerschein der Fahrerlaubnisklasse B nur noch für Fahrzeuge bis zu einem Maximalgewicht von 3,5 Tonnen gültig. Deshalb ist es mit dem Führerschein der Klasse B u.a. nicht möglich, größere Wohnmobile oder große Campingbusse zu fahren, die häufig über der Grenze von 3,5 Tonnen liegen bzw. die für eine höhere Zuladung auf über 3,5 Tonnen freigegeben sind.
Daher stand in Brüssel immer wieder eine Anhebung dieser Gewichtsgrenze für den Führerschein Klasse B auf 4,25 Tonnen zur Diskussion, damit alle, die nach dem Jahr 1999 ihren Führerschein gemacht haben, auch größere Campingfahrzeuge fahren könnten. Alternativ war bislang nur der ergänzende Prüfung zum Führerschein C1 möglich, der das Fahren von Fahrzeugen mit bis zu 7,5 Tonnen erlaubt.
Das könnte sich jedoch bald ändern, denn die EU ist darin bestrebt, dass für alle Bürger der Europäischen Union dieselben Regeln gelten sollen. Der wichtigste Aspekt dabei für alle Fans von Wohnmobilen: Die maximale Gewichtsgrenze für den Führerschein Klasse B soll nun endlich von 3,5 auf 4,25 Tonnen angehoben werden.
Entgegen des ursprünglichen Vorschlags, der nur für alternative Antriebe gedacht war, soll die Gewichtsanhebung für Wohnmobile und Krankenwagen jetzt unabhängig vom Antrieb gelten. Mit der neuen Regelungen könnten also auch Wohnmobile mit dem weitverbreiteten Dieselantrieb mit einem Gewicht von bis zu 4,25 Tonnen gefahren werden.
Seitens der deutschen Caravaning-Industrie wird die gefallene Entscheidung sehr begrüßt, da so der Einstieg in die Welt des mobile Reisen allgemein und im Besonderen auch für Familien, die mit mehr Gepäck auch meist größere Fahrzeuge benötigen, erleichtert wird.
Nach den Neuwahlen im Europaparlament sollen dann Anfang Juni 2024 die genauen Rahmenbedingungen der Führerscheinerweiterung dann noch zwischen Kommission, Rat und Parlament ausgehandelt werden.
Hat die 4,25-Tonnen-Grenze Auswirkungen für künftige E-Wohnmobile?
Auf jeden Fall! Eine große Hürde beim Bau von elektrischen Fahrzeugen ist vor allem das Gewicht, das alleine durch den benötigten E-Akku – für möglichst hohe Reichweiten – schon um einiges höher ausfällt als bei Fahrzeugen mit konventionellen Antrieben. Hier bewegen sich bereits normale PKW im sogenannten SUV-Segment teilweise schon in der Nähe von 3 Tonnen.
Bei Wohnmobilen oder Campingbussen, die auf elektronische Antriebe setzen und dazu noch über eine gewisse Zuladungskapazität verfügen sollen, wären die bislang gültigen 3,5 Tonnen nur äußerst schwer bzw. mit diversen Einschränkungen etwa bei Komfort oder der Reichweite umsetzbar. Mit künftig 750 Kilogramm mehr Spielraum, 4,25 an Stelle von 3,5 Tonnen, wären die Möglichkeiten für größere Batterien oder mehr Zuladung für einen gewissen Mindestkomfortstandard besser umsetzbar.
Zu Bedenken ist bei einem Fahrzeuggewicht von über 3,5 Tonnen aber auch, dass sich gewisse Kosten für Fahrten innerhalb der EU steigen werden, u.a. fallen im Ausland höhere Mautgebühren bzw. Streckenabhängige Gebühren an und es gelten teilweise strengere Begrenzungen bei der Geschwindigkeit oder der Nutzung von Parkplätzen.
Weitere geplante Änderungen mit der 4. Führerscheinrichtlinie innerhalb der EU
- Befristung ab 70 Jahren: Nach dem Entwurf hätten alle Mitgliedstaaten die Gültigkeit von Führerscheinen für Personen über 70 auf maximal 5 Jahre beschränken sollen. Damit wäre in allen EU-Ländern die Einführung von „Verkehrstauglichkeitsprüfungen“ oder Auffrischungskursen einfacher gewesen. Zusätzlich waren sogar verpflichtende Gesundheitschecks bei Erwerb, Umtausch oder Verlängerung des Führerscheins vorgesehen.
Dieser Vorschlag wurde mehrheitlich vom EU-Parlament abgelehnt.
- Zeitliche Befristung: Künftig sollen Führerscheine für Pkw und Motorräder mindestens 15 Jahre, Führerscheine für Lkw und Busse 5 Jahre lang gültig sein.
Auf Grund möglicher Diskriminierung von Senioren wurde eine Verkürzung der Fristen speziell für ältere Fahrer abgelehnt, da das Recht auf Bewegungsfreiheit und gesellschaftliche Teilhabe gewährleistet bleiben muss.
- Digitaler Führerschein: Mit Umsetzung der neuen EU-Richtlinie soll auch ein digitaler Führerschein eingeführt werden. Damit soll es künftig möglich sein, die Fahrerlaubnis mit einer Smartphone-App zu überprüfen, beispielsweise bei einer Polizeikontrolle oder beim Anmieten von Fahrzeugen. Anstelle des heutigen Chips soll die Führerschein-Scheckkarte einen QR-Code enthalten, um Fälschungsversuchen vorzubeugen.
- EU-weite Probezeit für Fahranfänger: Das Europäische Parlament hat zudem die Einführung einer EU-weiten Probezeit von mindestens zwei Jahren beschlossen. Eine Änderung gibt es für Fahranfänger in der Probezeit, die einen weiteren Führerschein erwerben möchten: Die Restprobezeit der ersten Klasse bleibt auch beim zweiten Führerschein bestehen, außer die Restprobezeit beträgt weniger als 6 Monate, dann wird sie automatisch auf 6 Monate verlängert. Während der Probezeit gelten darüber hinaus europaweit strengere Vorschriften und Strafen für Verstöße wie Fahrten unter Alkohol- oder Drogeneinfluss, Geschwindigkeitsüberschreitungen, Nutzung nicht zugelassener Fahrzeuge, fehlender Sicherheitsausrüstung und dem Fahren ohne gültige Fahrerlaubnis.
- EU-weite Fahrverbote und Punktesysteme: Aufpassen sollte man künftig noch mehr auf die Einhaltung von Grenzen bei Geschwindigkeiten, Alkohol- und besonders Drogenkonsum am Steuer, denn Strafpunkte werden bald in einer europaweiten Datenbank
gespeichert, um behördliche Kontrollen zu erleichtern und, Fahrverbote sollen künftig für alle EU-Länder gelten, sprich ein Fahrverbot in Deutschland gilt dann in der gesamte EU!
- Absenkung Mindestalter für LKW und Bus: Für die LKW-Klasse C ist in Deutschland derzeit ein Mindestalter von 21 Jahren, für die Bus-Klasse D ein Mindestalter von 24 Jahren vorgeschrieben. Um den steigenden Mangel an Berufskraftfahrern anzugehen,
haben die Abgeordneten beschlossen, dass schon 18-Jährige einen Führerschein für LKW oder Busse für bis zu 16 Fahrgäste absolvieren können, vorausgesetzt sie besitzen eine entsprechende Qualifikation.
- Begleitetes Fahren ab 17 Jahren: Seit 2011 ist es in Deutschland möglich, den Führerschein der Klasse B bereits mit 17 Jahren zu erwerben und in Begleitung einer eingetragenen Begleitperson Auto zu fahren. Dies soll nun durch eine EU-weite Regelung auch in den Fahrerlaubnisklassen B, C und C1 eingeführt werden. Die einzelnen Mitgliedstaaten können jedoch auch strengere Vorgaben für die Ausstellung ihrer Führerscheine festlegen, was zu Unterschieden innerhalb der EU führen kann.
Fazit
Die Arbeiten der EU-Behörden in Brüssel und Straßburg an der 4. Führerscheinrichtlinie dauern zwar schon über ein Jahr an, sollen aber gemäß dem Grundsatz „gleiches Recht für alle innerhalb der EU“ für mehr Einheitlichkeit und Übersichtlichkeit bei den Verkehrsregeln innerhalb der EU-Staaten sorgen.
Bis zur Festlegung der endgültigen Rahmenbedingungen nach den Neuwahlen im Europaparlament Anfang Juni 2024 sind zwar alle Zwischenmeldungen noch mit Vorsicht zu genießen, doch aktuell stehen die Zeichen gut, dass Wohnmobile – egal welchen Antriebs – bald mit bis zu 4,25 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht mit der Führerscheinklasse B gefahren werden dürfen.